Von Manfred Horn
Die vom Rat der Stadt im Juni beschlossene
Kapazitätsausweitung der Müllverbrennungsanlage (MVA) stößt weiter auf Kritik.
Bis zu 493.000 Tonnen Müll will die MVA künftig verbrennen, aktuell sind es
360.000 Tonnen. 2005 ist die Verbrennungsmenge bereits von 330.000 auf 360.000
Tonnen angehoben worden. Die MVA, an der die Stadt
Bielefeld beteiligt ist, begründet die beabsichtigte Änderung mit der seit
Mitte 2005 geltenden Vorschrift aus der Technischen Anleitung
Siedlungsabfall, wonach nur noch vorbehandelter Abfall deponiert werden darf.
Die Bürgerinitiative »Besser Leben und Wohnen in Baumheide«
ist nun erneut gemeinsam mit der Freien Scholle an die Öffentlichkeit gegangen.
Beide sorgen sich um die Lebensqualität in Baumheide. Die Freie Scholle als
Wohnungsträger unterhält in Baumheide 500 Wohnungen. Gemeinsam haben sie drei
Gutachten in Auftrag gegeben, die die Auswirkungen der Müllmengenerhöhung
beleuchten sollen. Sie fungieren dabei auch als Gegengutachten zu denen, die
von der MVA selbst in Auftrag gegeben wurden. Ergebnis: »Die von der MVA
Bielefeld-Herford vorgelegten Gutachten genügen nicht den gesetzlichen und
rechtlichen Anforderungen«, sagt Ludwig Heuwinkel von der Bürgerinitiative.
Das Öko-Institut als Gutachter stellte fest, dass die die
Gutachten der MVA nicht viel taugen. Es wimmelt nur so von mangelhaften
Urteilen: Die Gesundheitsverträglichkeitsprüfung »genüge nicht den Ansprüchen«,
das schalltechnische Gutachten sei fehlerhaft und genüge nicht den Ansprüchen
einer fachlich korrekt durchgeführten Lärmimmissionsprognose. Hinsichtlich der
Lärmbelastung seien die MVA-Gutachten von einer »deutlich zu geringen Anzahl
von LKW ausgegangen, die den Abfall transportierten«, darüber hinaus seien
»wesentliche Schallquellen nicht berücksichtigt worden«. Auch die
Umweltverträglichkeitsuntersuchung weise eine Reihe von erheblichen Mängeln
auf. In einer Stellungnahme, durchgeführt vom Ingenieursbüro für Meteorologie
und technische Ökologie, heißt es, auch die Immissionsvorbelastung im Umkreis
der MVA sei teilweise nicht erfasst worden. Die Immissionszusatzbelastung durch
eine Kapazitätsausweitung sei eben nicht irrelevant. »Die Gesamtbelastung von
Sickstoffoxid ist sehr hoch. Bei dem Jahresmittelwert tangiert sie den
Grenzwert. Bei Schwebestaub PM10 ist die Gesamtbelastung so hoch, dass sie de
ab 2010 geltenden Grenzwert der EG-Richtlinie 1999/30/EG überschreitet«, heißt
in der Stellungnahme weiter.
15 Millionen vor allem für Ersatzteile?
Auch bezweifelt das Öko-Institut, ob die 15 Millionen Euro
Investitionen, die die MVA angekündigt hat, tatsächlich verwendet werden, um
die höhere Müllmenge möglichst ohne weitere Schadstoffbelastungen verarbeiten
zu können. Ein großer Teil des Geldes, so das Öko-Institut, seien einfach
Ersatzinvestitionen, die anstünden. Zu einer höheren Effektivität komme es,
soweit aus den Gutachten ersichtlich, dabei wahrscheinlich nicht. Die Folge:
Eine Überlastung der Anlage mit ansteigenden Schadstoffwerten drohe.
Bürgerinitiative und Freie Scholle setzen nun auf die
Einsicht des Regierungspräsidiums in Detmold. In der Stadthalle Bielefeld
findet am 30. Oktober ein Erörterungstermin statt. Ohne die Einwilligung des
Regierungspräsidiums kann die MVA keine Kapazitätsausweitung vornehmen.
Bürgerinitiative und Freie Scholle wollen die Genehmigung stoppen. »Ohne eine
vernünftige Grundlage kann niemand etwas entscheiden«, sagt Michael Seibt von
der Freien Scholle. Da die Gutachten der MVA fehlerhaft seien, müssten die
Grundlagen erst noch erstellt werden. So solle die Bezirksregierung ein
unabhängiges Institut untersuchen lassen, welche weiteren Komponenten der
Rauchgasreinigungen an die Kapazitätserweiterung anzupassen sind. Sollte die
Bezirksregierung die Kapazitätserweiterung dennoch genehmigen, so streben
Bürgerinitiative und Freie Scholle eine Genehmigung mit Auflagen an. Dann würde
im nächsten halben Jahr fleißig gemessen, wären die Belastungswerte für Mensch
und Natur zu hoch, müsste die MVA nachbessern.
Ludwig Heuwinkel drückt seine Enttäuschung über die Politik
aus. Vor der Ratssitzung hätte die Bürgerinitiative Vertreter aller Parteien
getroffen, alle hätten zugesagt, abzuwarten, bis auch die Gegengutachten vorliegen.
Besonders enttäuschend sei das Verhalten von Ralf Nettelstroth gewesen,
Ratsherr der CDU, der seinen Wahlkreis in Baumheide hat. Als dann die
Kapazitätserweiterung in der Juni-Sitzung des Rates zur Abstimmung stand,
hätten die meisten Politiker zugestimmt, auf Grundlage einer Vorlage, die
jeweils fünf Sätze aus den Gutachten enthalten habe, die die MVA in Auftrag
gegeben habe, empört sich Heuwinkel.
Michael
Seibt von der Freien Scholle bläst ins gleiche Horn: »Die MVA macht Rendite auf
Kosten des Stadtteils«. Dies ist offenbar auch die Meinung der Freie-Scholle
Mieter in Baumheide, in deren Namen Seibt sprach. Betroffen von der
Kapazitätserweiterung sind aber nicht nur die Bewohner Baumheides, sondern auch
die der Hauptwindrichtung in Elverdissen und Altenhagen. Auch dort hat sich
inzwischen Protest artikuliert.