Webwecker Bielefeld: Mehr Müll heißt mehr Dreck (04.10.2006)

Mehr Müll heißt mehr Dreck (04.10.2006)



Ärgern sich über die schlechten Gutachten der MVA (v.l.n.r.): Michael Seibt und Ludwig Heuwinkel


Von Manfred Horn

Die vom Rat der Stadt im Juni beschlossene Kapazitätsausweitung der Müllverbrennungsanlage (MVA) stößt weiter auf Kritik. Bis zu 493.000 Tonnen Müll will die MVA künftig verbrennen, aktuell sind es 360.000 Tonnen. 2005 ist die Verbrennungsmenge bereits von 330.000 auf 360.000 Tonnen angehoben worden. Die MVA, an der die Stadt Bielefeld beteiligt ist, begründet die beabsichtigte Änderung mit der seit Mitte 2005 geltenden Vorschrift aus der ›Technischen Anleitung Siedlungsabfall‹, wonach nur noch vorbehandelter Abfall deponiert werden darf.

Die Bürgerinitiative »Besser Leben und Wohnen in Baumheide« ist nun erneut gemeinsam mit der Freien Scholle an die Öffentlichkeit gegangen. Beide sorgen sich um die Lebensqualität in Baumheide. Die Freie Scholle als Wohnungsträger unterhält in Baumheide 500 Wohnungen. Gemeinsam haben sie drei Gutachten in Auftrag gegeben, die die Auswirkungen der Müllmengenerhöhung beleuchten sollen. Sie fungieren dabei auch als Gegengutachten zu denen, die von der MVA selbst in Auftrag gegeben wurden. Ergebnis: »Die von der MVA Bielefeld-Herford vorgelegten Gutachten genügen nicht den gesetzlichen und rechtlichen Anforderungen«, sagt Ludwig Heuwinkel von der Bürgerinitiative.

Das Öko-Institut als Gutachter stellte fest, dass die die Gutachten der MVA nicht viel taugen. Es wimmelt nur so von mangelhaften Urteilen: Die Gesundheitsverträglichkeitsprüfung »genüge nicht den Ansprüchen«, das schalltechnische Gutachten sei fehlerhaft und genüge nicht den Ansprüchen einer fachlich korrekt durchgeführten Lärmimmissionsprognose. Hinsichtlich der Lärmbelastung seien die MVA-Gutachten von einer »deutlich zu geringen Anzahl von LKW ausgegangen, die den Abfall transportierten«, darüber hinaus seien »wesentliche Schallquellen nicht berücksichtigt worden«. Auch die Umweltverträglichkeitsuntersuchung weise eine Reihe von erheblichen Mängeln auf. In einer Stellungnahme, durchgeführt vom Ingenieursbüro für Meteorologie und technische Ökologie, heißt es, auch die Immissionsvorbelastung im Umkreis der MVA sei teilweise nicht erfasst worden. Die Immissionszusatzbelastung durch eine Kapazitätsausweitung sei eben nicht irrelevant. »Die Gesamtbelastung von Sickstoffoxid ist sehr hoch. Bei dem Jahresmittelwert tangiert sie den Grenzwert. Bei Schwebestaub PM10 ist die Gesamtbelastung so hoch, dass sie de ab 2010 geltenden Grenzwert der EG-Richtlinie 1999/30/EG überschreitet«, heißt in der Stellungnahme weiter.


15 Millionen vor allem für Ersatzteile?

Auch bezweifelt das Öko-Institut, ob die 15 Millionen Euro Investitionen, die die MVA angekündigt hat, tatsächlich verwendet werden, um die höhere Müllmenge möglichst ohne weitere Schadstoffbelastungen verarbeiten zu können. Ein großer Teil des Geldes, so das Öko-Institut, seien einfach Ersatzinvestitionen, die anstünden. Zu einer höheren Effektivität komme es, soweit aus den Gutachten ersichtlich, dabei wahrscheinlich nicht. Die Folge: Eine Überlastung der Anlage mit ansteigenden Schadstoffwerten drohe.

Bürgerinitiative und Freie Scholle setzen nun auf die Einsicht des Regierungspräsidiums in Detmold. In der Stadthalle Bielefeld findet am 30. Oktober ein Erörterungstermin statt. Ohne die Einwilligung des Regierungspräsidiums kann die MVA keine Kapazitätsausweitung vornehmen. Bürgerinitiative und Freie Scholle wollen die Genehmigung stoppen. »Ohne eine vernünftige Grundlage kann niemand etwas entscheiden«, sagt Michael Seibt von der Freien Scholle. Da die Gutachten der MVA fehlerhaft seien, müssten die Grundlagen erst noch erstellt werden. So solle die Bezirksregierung ein unabhängiges Institut untersuchen lassen, welche weiteren Komponenten der Rauchgasreinigungen an die Kapazitätserweiterung anzupassen sind. Sollte die Bezirksregierung die Kapazitätserweiterung dennoch genehmigen, so streben Bürgerinitiative und Freie Scholle eine Genehmigung mit Auflagen an. Dann würde im nächsten halben Jahr fleißig gemessen, wären die Belastungswerte für Mensch und Natur zu hoch, müsste die MVA nachbessern.

Ludwig Heuwinkel drückt seine Enttäuschung über die Politik aus. Vor der Ratssitzung hätte die Bürgerinitiative Vertreter aller Parteien getroffen, alle hätten zugesagt, abzuwarten, bis auch die Gegengutachten vorliegen. Besonders enttäuschend sei das Verhalten von Ralf Nettelstroth gewesen, Ratsherr der CDU, der seinen Wahlkreis in Baumheide hat. Als dann die Kapazitätserweiterung in der Juni-Sitzung des Rates zur Abstimmung stand, hätten die meisten Politiker zugestimmt, auf Grundlage einer Vorlage, die jeweils fünf Sätze aus den Gutachten enthalten habe, die die MVA in Auftrag gegeben habe, empört sich Heuwinkel.

Michael Seibt von der Freien Scholle bläst ins gleiche Horn: »Die MVA macht Rendite auf Kosten des Stadtteils«. Dies ist offenbar auch die Meinung der Freie-Scholle Mieter in Baumheide, in deren Namen Seibt sprach. Betroffen von der Kapazitätserweiterung sind aber nicht nur die Bewohner Baumheides, sondern auch die der Hauptwindrichtung in Elverdissen und Altenhagen. Auch dort hat sich inzwischen Protest artikuliert.