Kampfeinsätze führen zu Deformationen (01.11.2006)
»Der
brutale Alltag von Kriegseinsätzen führt notwendigerweise zur Verrohung derer,
die das Geschäft des Krieges zu verrichten haben. Besonders gefährdet sind
junge Menschen, die seelisch noch nicht gefestigt sind«, erklärt Inge Höger,
Bundestagsabgeordnete der Linkspartei aus Herford. In der vergangenen Woche
waren Fotos einer mutmaßlichen Totenschädung durch Bundeswehrsoldaten in
Afghanistan öffentlich geworden.
Kampfeinsätze
führten zu psychischen Deformationen, die immer wieder in posttraumatischen
Belastungsstörungen münden, berichtet Inge Höger, die auch Mitglied des
Verteidigungsausschusses im Deutschen Bundestag ist. In den zurückliegenden
drei Jahren habe sich die Anzahl traumatisierter Einsatzkräfte mehr als
verdoppelt. Insgesamt seien in den zehn Jahren von 1996 bis 2005 rund 1.600
Bundeswehrsoldaten wegen psychischer Störungen behandelt worden, 640 davon
wegen posttraumatischer Belastungsstörungen (PTBS). Die Zahl der von PTBS
Betroffenen habe sich in den vergangenen drei Jahren sogar fast verdreifacht:
2005 seien mindestens 140 Soldaten wegen posttraumatischer Störungen in
Behandlung gewesen gegenüber 48 im Jahr 2003. Vor allem bei
Soldaten,
die in Afghanistan eingesetzt würden, hätten die Fälle deutlich zugenommen:
2003 seien deswegen noch 30 Einsatzkräfte in Behandlung gewesen, im vergangenen
Jahr habe die Zahl bei 86 gelegen.
»Zu
den Symptomen von PTBS gehören quälende Erinnerungen, Albträume, Nervosität,
Reizbarkeit, emotionale Rückzüge und Depressionen bis hin zum Selbstmord«,
berichtet Höger. Bei der Zahl der Betroffenen gebe es eine hoheDunkelziffer,nur
wenige wendeten sich während des Einsatzes an Beratungsstellen. »Niemand will
in einer solchen Situation als verrück gelten.«
Meistens
schlagen die Auswirkungen solcher Einsätze erst später zu Buche, sagt Höger.
»Daher sind Entgleisungen, wie jetzt in Afghanistan dokumentiert, sicher eher
die Ausnahme. Viele PTBS-Opfer finden sich erst später in
Bundeswehrkrankenhäusern wieder, unfähig, ein wieder normales Leben
aufzunehmen, Zugang zu ihren Familien zu finden oder sich ins berufliche Umfeld
zu integrieren«. Die Linksfraktion fordert einen Rückzug der Bundeswehr aus
Afghanistan. Eine Forderung, der auch von einem Teil der grünen
Bundestagsfraktion zu hören ist.