Webwecker Bielefeld: Margaret Forster, »Ein Zimmer, sechs Frauen und ein Bild« (Januar, 2007)

Margaret Forster, »Ein Zimmer, sechs Frauen und ein Bild« (Januar, 2007)



„Ich denke, wenn wir schöne Bilder machen wollen, dann müssen wir frei von Familienkonventionen und –bindungen sein...Ich denke, die Familie gehört der Vergangenheit an. Wir kommen nicht in Familien in den Himmel, sondern jeder für sich,“ schrieb die britische Malerin Gwen John an ihre Maler-Freundin Ursula Tyrwith (Zitat aus „50 Klassiker Künsterinnen, Hg. Christina Haberlik, Ira Diana Mazzoni, Gerstenberg Verlag, 2002).Gwen John lebte für ihre Malerei, gegen die Konventionen ihrer Zeit. Sie wurde 1876 in Wales geboren, ab 1884 wuchs sie in dem kleinen Küstenort Tenby auf. Mit 19 besuchte sie in London die Slade School of Art, zu der Zeit die progressivste in England. 1898 ging sie für einige Monate zum Kunststudium nach Paris, vier Jahre später verlegte sie ihren Lebensmittelpunkt gänzlich nach Paris. Gwen John blieb keine Unbekannnte: sie nahm bis zu ihrem Tod regelmäßig an Ausstellungen in England teil, sie stellte auch in den USA  aus: So nahm sie 1913 an der „International Exhibition of Modern Art“ in New York, Boston und Chicago teil. Gwen John traf auf Künstler wie Matisse, Picasso, Cezanne. Sie arbeitete für den Bildhauer Rodin als Modell und war mit ihm für ein Jahrzehnt in einer Liebesbeziehung verbunden. Gwen John gab ihre eigene künstlerische Arbeit nie auf und entwickelte sie beständig fort. Sie starb im September 1939 auf einer Frankreichreise. Mehrere ihrer Arbeiten sind heute in der Londoner Tate Gallery zu besichtigen.

Und hier beginnt Margaret Forsters neuer Roman, „Ein Zimmer, sechs Frauen und ein Bild.“ Die Schülerin Gillian, die bald ein Kunststudium beginnen wird, besucht während eines Schulausflugs die Tate Gallery.  Gillian ist beeindruckt und bewegt von Arbeiten der Künstlerin Gwen John, sie fragt nach der Eigenständigkeit der künstlerischen Arbeiten, ihrem (Eigen)leben.“ ...welche Wirkung hatte es auf die Menschen die es betrachteten. Was hat es ihnen bedeutet, wie haben  sie es betrachtet, haben sie dasselbe gefühlt, wie ich, haben sie gesehen, was ich gesehen habe...“,die Ausgangsfrage des Romans.

Margaret Forster imaginiert in ihrem Roman den Weg eines Bildes der Malerin Gwen John „Corner of the Artist`s Room in Paris“. Sie zeichnet den Lebensweg der Malerin Gwen John und die Entstehungsgeschichte ihrer Arbeit, die auch das Cover schmückt, nach. Eindrücklich ist die Unabhängigkeit der Malerin, entgegen der These des Romans von Alexandra Lavizarri  verharrt sie nicht der ihr zugewiesenen Rolle als Muse Rodins sondern geht ihren eigenen, nicht immer einfachen Lebensweg, der Künstlerin, die immer etwas außerhalb steht, vielleicht deshalb umso treffenden empfinden und ausdrücken kann.

Eine erste Ausführung der Arbeit  wird an eine Freundin verschenkt. Das kostbare persönliche Geschenk wird sorgfältig und sicher im Reisekoffer verpackt, damit ihm nichts geschieht, doch das Schicksal nimmt seinen Lauf: der Koffer geht auf der Reise verloren und somit beginnt das Eigenleben, der eigene Weg des Gemäldes. Es gelangt zu Charlotte, Lieblingstochter ihres Vaters, die sich nicht entsprechend der Vorstellungen ihrer Mutter verhält. Das Gemälde wird entwendet, gelangt über Stella zu Lucasta und dann zur nächsten Besitzerin Ailsa. Der Zeitrahmen umfaßt ein Jahrhundert, immer wieder spielt Gwen Johns kleines Gemälder einen unterstützenden Rolle bei großen Entschlüssen, Lebensumbrüchen. Am Ende schließt sich der Kreis und wir sind wieder bei Gillian.

Margaret Forster ist es gelungen, der Wirkungsmächtigkeit eines kleinen Kunstwerkes nachzuspüren, sie verknüpft Lebensgeschichten unterschiedlichster Frauen, gemeinsam ist allen die Suche und die Sehnsucht nach Eigenständigkeit, nach persönlicher Freiheit und Freiräumen. Der Londoner Autorin, zuletzt erschien ihr tagebuchartiger Roman „Ich warte darauf, dass etwas geschieht“, ist nicht nur eine bewegende, bezaubernde Geschichte gelungen, sie legt eine hommage an die Kunst und ganz besonders an das Werk Gwen Johns vor.


Margaret Forster, »Ein Zimmer, sechs Frauen und ein Bild«, Arche Verlag, 524 S., 2006,  Euro

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