Webwecker Bielefeld: Abbitte

Die Last aus Kindertagen



Abbitte (Atonement)

Von Harald Manninga

Briony ist 13 und ein recht fantasiebegabtes Kind. Das kommt nicht von ungefähr, ist sie doch die jüngste Tochter einer liberalen und weltoffenen britischen Großbürgerfamilie in der Mitte der 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Einer Familie, die in Umwälzungserscheinungen wie den eben erst vergangenen »roaring twenties«, dem Frauenwahlrecht, Bildung im allgemeinen, Strömungen wie die Popularisierung der Psychoanalyse, der Jazz-Musik und dergleichen keine unwillkommenen Fremdworte findet.

Gerade ist die ältere Schwester Cecilia (gespielt von Keira Knightley) vom Studium in Cambridge zurück, man erwartet außerdem die Rückkehr des Bruders Leon. Den liebt Briony besonders und hat ihm zu Ehren ihr erstes Theaterstück geschrieben. Drittens ist auch der als Ziehsohn aufgenommene Robbie (gespielt von James McAvoy) wieder im Lande.

Briony beobachtet einige – nennen wir sie einmal: verfängliche Situationen zwischen diesem Robbie und ihrer Schwester Cecilia, die die Kleine in vorpubertäre und dementsprechend selbstgerechte Irrung und Wirrung stürzen. Eine Verwirrung, die dazu führt, dass Robbie durch Brionys Aussage als Kinderschänder vor Gericht gestellt und verurteilt wird, nachdem sich ein Mann an ihrer kleinen Cousine Lola vergangen hat. Als Robbie aus dem Gefängnis kommt, tobt der Zweite Weltkrieg. Robbie wird Soldat, kämpft in Frankreich, die Frauen verdingen sich als Krankenschwestern. Doch es ist weniger der Krieg, der ihrer aller Leben aus der Bahn geworfen hat, als Brionys Aussage von damals. – Und warum diese Geschichte insgeheim eigentlich erzählenswert ist, wird wirklich erst ganz am Ende aufgelöst.

Schon in der Filmadaption des Jane Austen-Romans Stolz und Vorurteil hat Regisseur Joe Wright höchst erfolgreich mit Schauspielerin Keira Knightley (Kick it like Beckham, Fluch der Karibik) zusammengearbeitet, und beide zeigen jetzt in der Verfilmung des Romans Abbitte von Ian McEwan, dass diese Zusammensetzung wohl eine Traumverbindung ist. Doch damit hört es noch lange nicht auf. Auch James McAvoy (The Last King of Scotland) zieht so gut wie alle Register. Ganz groß vor allem aber die Leistung von Saoirse Ronan als 13-jährige Briony! Da man sich den Namen dieser jungen Irin wahrscheinlich wird merken müssen (es gibt schon erste Oscar-Gerüchte für diese ihre Rolle), hier eine kleine Aussprachehilfe für den Vornamen: »Ssierscha« sagt sich das, jedenfalls ungefähr.

Mindestens ebenso wichtig zu erwähnen ist aber bei diesem – nein, unter dem gehts in diesem Fall wirklich nicht! – Meisterwerk des Gefühls- und Nachdenkkinos die Kameraführung von Seamus McGarvey, der u.a. eine minutenlang (scheinbar?) ungeschnittene und technisch eigentlich völlig unmögliche »Fahrt« durch ein Soldatenlager am französischen Strand hinlegt. Und die auf den Punkt genau gezirkelte Musik von Dario Miranelli (u.a. Die Brüder Grimm), die sich ganz am Erzählten orientiert. Zumindest der musikalische Aufmacher dieses Films hat Klassiker-Qualitäten und dürfte in Zukunft öfter, vielleicht bis zum Überdruss, immer wieder zu hören sein.

»Abbitte« läuft ab dem 08.11. in der Bielefelder Kamera