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Antisemitismus-Diskussion in der Uni (Teil 2)



Das Ziel des Ganzen sei, so Hoffmann, einen Wirkungszusammenhang zwischen Bolschewismus und dem Holocaust herzustellen und nachzuweisen, dass der Antisemitismus der Nationalsozialismus nicht rassistisch gewesen sei, sondern eine Reaktion auf die – wie Bieberstein schreibt - »Verwicklung einer Fraktion der Judenheit in den revolutionären Kommunismus«. »Hätten sich die Juden nicht so hervorgetan im revolutionären Sozialismus, hätten die Nationalsozialisten auch keinen Antisemitismus entwickelt, zumindest keinen derart tödlichen«, fasst Lutz Hoffmann die Argumentation Biebersteins zusammen. Damit stehe dieser im Widerspruch zu Daniel Goldhagen: »Der sagt, dass die Judenverfolgung ohne Zutun der Juden geschehen wäre«, verweist Hoffmann auf die »Goldhagendebatte« Mitte der 90er Jahre. Auch in der versuchten rechte Wissenschaftler, die Schuld der Deutschen am Holocaust zu relativieren.

Nach dieser Analyse Hoffmanns von Biebersteins Buch, nahm sich Alfred Schobert vom Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (DISS) die Rede des Martin Hohmann vor. »Ich analysiere nicht die gesamte Rede, das will ich Ihnen und mir nicht antun, aber die Rede in ihrer Gesamtheit«, kündigte Schobert an. Akribisch dekonstruierte er dann die rhetorischen Kniffe und beschrieb die Gratwanderung von Hohmann zwischen gerade noch Sagbarem und NS-Terminologie.

»Leider wurde der Auftakt der Rede bisher kaum thematisiert«, beklagte Schobert. Deren Titel war »Gerechtigkeit für Deutschland«. Am Beginn der Rede thematisierte Hohmann den »Sozialmissbrauch«. »Er spricht dann von einem Einzelnen, den man – ich zitiere - »Sozialschmarotzer« genannt hätte. Ich halte das keineswegs für eine sprachhistorische Bemerkung, sondern da hat er eine erste Duftmarke gesetzt«, erläutert Schobert. »Er hätte auch Parasit sagen können oder Blutegel«, verweist er auf die Nähe von Hohmanns Formulierung zu Nazijargon. »Er setzt krass Individuum gegen Gemeinschaft, von Gesellschaft redet der Herr nicht.« Das Begriffspaar Individuum versus Gemeinschaft war auch ein den NS-Staat konstituierender Bestandteil der Nationalsozialistischen Ideologie.

»Und dann ist er in Siebenmeilenstiefeln bei seinem Herzthema«, beschrieb Schobert die weitere Rede. Die Siebenmeilenstiefel sind bei Hohmann die Klage darüber, dass der deutsche Staat nicht zuerst für Deutsche da sei. Schuld daran sei die deutsche Vergangenheit. »Immer wieder erfahren wir, wie stark die zwölf Jahre deutscher Vergangenheit wirksam sind, bis in unsere Gegenwart«, zitierte der Duisburger Wissenschaftler Hohmann. Der Bundestagsabgeordnete meint damit aber nicht die Ewiggestrigen: »Nicht die braunen Horden, die sich unter den Symbolen des Guten sammeln, machen tiefe Sorgen«, heißt es bei Hohmann. »Man kann da schon vermuten, dass er manche Transparente junger Nazis tatsächlich für Symbole des Guten hält«, kommentierte Schobert diese Aussage.

Anschließend beschrieb er den Umgang Hohmanns mit einem der Klassiker des Antisemitismus, den auch Bieberstein als Quelle verwendet: »Er wählt an dieser Stelle die direkte Ansprache des Publikums um das Buch einzuführen. Zitat: »Meine Damen und Herren, es wird sie überraschen, dass der amerikanische Autokönig Henry Ford 1920 ein Buch mit dem Titel »Der Internationale Jude« herausgegeben hat.« Zitat Ende«. Fords Werk beschreibt Schobert so: »Das Buch ist eine sehr ergiebige Quelle antisemitischen Wahns. So bezeichnete Ford Jazz als »jüdisches Machwerk«, das die »jungen Leute dazu bringt, das Gelalle von Busch-Negern nachzuahmen«.

Dass das Buch Fords nicht nur für die alten Nazis wichtig war, sondern auch für Neonazis eine zentrale Bedeutung hat, zeigt die Tatsache, dass NPD-Anwalt Horst Mahler es zur »Pflichtlektüre für jeden Deutschen« erklärt hat. Durch Mahler kam auch Alfred Schobert zum ersten Mal in Kontakt mit Hohmanns Rede. Der Top-Nazi verbreitete das Manuskript über seine Mailingliste mit dem Betreff: »Der Mann hat Mut , aber noch nicht den vollen Durchblick«.