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Wer bestimmt das Selbst beim Sterben? (Teil 3)





Befragung der Deutschen Hospiz-Stiftung aus dem Jahr 2000



Dies belegte sie mittels einer beim Institut Forsa in Auftrag gegebenen repräsentativen Umfrage aus dem Jahr 2000: Demnach sprachen sich über 80 Prozent der Befragten für Sterbehilfe aus. Für ein Gesetz, das regelt, unter welchen Bedingungen Sterbehilfe geleistet werden darf, sprachen sich 71 Prozent der gut 1.000 Befragten aus. Die ›Deutsche Hospizstiftung‹ zweifelt die Ergebnisse allerdings an: Das Ergebnis sei wegen der Missverständlichkeit des Begriffs »Sterbehilfe äußerst fragwürdig«. Nach aktiver Sterbehilfe sei gar nicht gefragt worden.


Selbstbestimmt oder fremdbestimmt?

Unbestritten gibt es Menschen, die gerne sterben möchten, denen aber eine adäquate Sterbehilfe fehlt oder die nicht in der Lage sind, sich selbst zu töten. Doch aus diesen subjektiven Leidensgeschichten ein Gesetz zu gießen, dass Sterbehilfe zulässt, wäre ein Dammbruch, der nicht mehr rückgängig zu machen ist. Eine aktuelle Studie aus den Niederlanden, wo Sterbehilfe seit 2002 legal ist, zeigt, dass dort inzwischen jedes Jahr 900 Menschen getötet werden, obwohl sie dies gar nicht verlangt haben. Eine anonyme Befragung unter Ärzten in den Niederlanden ergab, dass in 38 Prozent der Fälle die Angehörigen die Sterbehilfe wollten, in weiteren 30 Prozent der Fälle wurde den Kranken einfach ein Wunsch nach Sterbehilfe unterstellt. Würde das Sterbehilfe-Modell der Niederlande auf die Europäische Union ausgeweitet, würden jährlich 24.000 Menschen gegen ihren Willen getötet, rechnet die Deutsche Hospizstiftung vor.

Denn kein Gesetz kann garantieren, dass der Tötungswunsch auch wirklich von demjenigen kommt, der dann später getötet wird: Angefangen von Verwandten, die die Pflege nicht mehr leisten können oder wollen, oder schlicht die Erbschaft einstreichen wollen bis hin zu Ärzten, die die Euthansie dem Kranken empfehlen bis hin zu einem gesellschaftlichen Klima, wo die Alten den Druck spüren, doch besser zum Wohle der Anderen aus dem Leben zu scheiden. Auch eine unterschriebene Patientenverfügung bietet da keine Garantie.

Hinzu kommen Hunderttausende von Menschen, die gar nicht in der Lage sind, eine derartige Frage zu beantworten: Sie sind verwirrt, psychisch krank oder geistig behindert. In diesen Fällen würden dann immer Angehörige oder Ärzte über Leben und Tod entscheiden. Kurz: Ein selbstbestimmte Entscheidung über Leben und Tod ist in vielen Fällen nicht gewährleistet und wäre auch durch ein entsprechendes Gesetz nicht zu gewährleisten. Aus kategorischen Gründen bleibt nur ein deutliches Nein zur Legalisierung der Sterbehilfe.

Es gibt Stimmen, die statt aktiver Sterbehilfe eine Stärkung der Palliativmedizin und der Hospize fordern. Palliativmedizin will dem Patienten die Lebenszufriedenheit erhalten, wenn keine Heilung mehr möglich ist. Im Gegensatz dazu befindet sich der kurative Ansatz, bei dem das aktuelle Wohlbefinden dem Ziel des Heilens untergeordnet wird.

Ursprünglich für Patienten mit Tumorerkrankung entwickelt, hat sich das Konzept ausgeweitet: Es findet inzwischen potenziell bei allen Kranken Anwendung, die definitiv bald an ihrer Krankheit sterben werden. Die Palliativmedizin, neudeutsch auch: Palleative Care, stellt die Linderung von Schmerzen und anderen Beschwerden in den Vordergrund und bietet ein System der Unterstützung an, damit das Leben der Patienten bis zum Tod so aktiv wie möglich sein kann.