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Gewinner Wirtschaft (11.05.2005)





Protestaufruf gegen das »Schandurteil« gegen den Bankier Freiherr von Schröder vor dem Bielefelder Landgericht. Das Plakat ist in der Ausstellung »In jenen Tagen...« im Stadtarchiv zu sehen



Von Manfred Horn

Kontinuität gab es nicht nur im Staatsapparat, sondern auch in der Wirtschaft. Viele Unternehmer waren aufs Engste mit dem Nationalsozialismus verquickt und profitierte. Auch als die Nationalsozialisten das Credo einer »gelenkten Wirtschaft« ausgaben, um den Angriffkrieg vorzubereiten und durchzuführen, machte die Wirtschaft zunächst keine schlechten Geschäfte.

Die deutsche Kriegswirtschaft konnte schließlich davon profitieren, dass über mehrere Jahre fast das ganze Europa zum Ausplündern bereitstand: Es wurden nicht Rohstoffe günstig herangeschafft, ganze Industrieanlagen wurden in besetzen Ländern hochgezogen. Hinzu kam die Arisierungspolitik, die vielen deutschen Unternehmen überhaupt erst den Start ermöglichte. Jüdische Unternehmer mussten ihre Geschäfte unter Zwang zu einem symbolischen Preis verkaufen, so zum Beispiel Benno Katz seine Katz-Textil-AG.


Wäschefabrik 1938 enteignet

Eines von vielen weiteren Beispielen in Bielefeld ist die Wäschefabrik in der Victoriastraße, die heute als Museum besucht werden kann. 1913 ließ Hugo Juhl das Gebäude errichten. Bis zu 150 Arbeiterinnen nähten dort Wäsche. Juhl war Jude und wurde so 1938 gezwungen, seine Fabrik für 400.000 Reichsmark die Gebrüder Theodor und Georg Winke zu verkaufen.

Erwähnt werden kann auch das Textilhaus Optiz am Jahnplatz. Wer im Internet nach der Geschichte des Unternehmens sucht, bekommt die lapidare Information, dass das Haus 1938 in Textilkaufhaus Opitz umbenannt worden sei (http://www.bi-info.de/bielefeld/wirtschaft/firmen/opitz.htm). Ein Euphemismus, der typisch ist für die Verschleierung von Verbrechen: In Wirklichkeit wurde auch hier der jüdische Kaufmann S. Alsberg zum Verkauf gegen einen Spotpreis gezwungen.

Nach dem Krieg allerdings wurden nur wenige Unternehmer verurteilt. Entweder es kam zu keiner Anklage, oder nach einer kurzen Phase der Internierung ging es weiter wie zuvor. So wurde beispielsweise der Dürkopp-Geschäftsführer Georg Barthel, ehemals SS-Führer der 22. Standarte und im Stab des NS-Rasse- und Siedlungsamts, vom Entnazifizierungs-Unterausschuss der Dürkoppwerke angefordert und durfte vorzeitig aus dem Internierungslager in die Firma zurückkehren. Monika Minninger, stellvertretende Leiterin des Stadtarchivs, schildert noch einen zweiten Fall: Der Direktor S. einer großen Bielefelder Firma, der volle Name darf bis heute nicht veröffentlicht werden, durfte auf Verfügung der Militärregierung Minden im Januar 1947 in sein Amt zurückkehren, und dies, obwohl er als Schinder von Zwangsarbeitern und NS-Aktivist bekannt war.

In einzelnen Fällen protestierten Betriebsräte, in der Regel stimmten sie aber zu. Sie hatten Angst vor Beschlagnahme oder Demontage ›ihrer‹ Betriebe und stellten ehemaligen Nationalsozialisten sogar wohlwollende Leumundszeugnisse, die sogenannten Persilscheine, aus. Dies erwähnt Karl Otto, emeritierter Soziologieprofessor der Universität Bielefeld in seinem Beitrag »Pflanzt auf den Freiheitsbaum« zur Geschichte des Kampfes um Demokratie der heutigen ver.di-Gewerkschaft in Bielefeld.