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Jour Fix im Salon (Teil 3)



Was die moderne Salonkultur eint, ist nach wie vor die Lust am Reden und die Unlust am Regeln: Salons kennen keine Satzungen, haben keine politische oder religiöse Ausrichtung, formulieren kein Ziel. »Alles ist erlaubt, außer Dummheit, Geschmacklosigkeit und Halbherzigkeit«, sagt Giela Reinke-Dieker. Wobei Dummheit nicht Unwissenheit heißt: Denn Salons sind genau der Ort, wo Wissenslücken beliebiger Größe aufgefüllt werden können. »Salons bieten heute auch die Möglichkeit, ein Ääh zu sagen und eine ungeprüfte Meinung hinzulegen«, ergänzt Dornseif.


Miteinander statt gegeneinander

Salons sind wieder im Kommen. »Kaffeekränzchen sind öde«, lautet eine Erklärung dafür. Kaffeekränzchen waren nach dem Krieg eine Spielart fraulicher Geselligkeit auf ungefährlichem Terrain, entsprechend waren die Themen: Sie reichten vom Kuchenrezept bis zum Arztbesuch, die kleine Welt eines Durchschnittsbürgers in den Jahres der Jagd nach Wohlstand. Salons entstehen heute, weil traditionelle Familienstrukturen weggebrochen sind. Die mediale Welt bietet keine Möglichkeiten zu einer echten Kommunikation. Überhaupt wird in der Gegenwartsgesellschaft unheimlich viel an multiplen Orten gesprochen, doch nur noch selten von Angesicht zu Angesicht, und noch seltener nicht über über- oder voneinander, sondern miteinander. So machen die beiden Berlinerinnen einen gewissen Hunger nach dem guten Gespräch aus. Wobei sie auch betonten, was ein Salon nicht ist: Kein Debattierclub, kein subversiver Gesprächszirkel und auch ein Stammtisch.

Wer einen Salon machte möchte, muss nach wie vor Frau sein, einen gewissen Esprit haben und vor allem wohlfeil Sprechen können. Die Frauen des Vereins KultUrwald sind fest entschlossen, ihren Salon zu etablieren. Am Montag waren immerhin schon zehn Interessierte da und ein nächstes Salontreffen wurde auch schon beschlossen. Doch auch die Idee, einen Salon im Sitzungssaal des Bielefelder Alten Rathauses abzuhalten, hat zweifelsohne Charme. Doch dafür müsste sich noch eine Frau finden, die den Rathaussaal einfordert.


Die nächste Zusammenkunft des KultUrwald-Salons findet am Montag, 20. Juni, 20 Uhr, im Lokal »Zum grünen Walde« statt. Thema ist die über 100-jährige Geschichte des Hauses.

Literatur: ›Die Berliner Salons‹ von Petra Wilhelmy-Dollinger. Walter de Gruyter Verlag, 2000. ISBN: 3-11-016414-0