Webwecker Bielefeld: Antikörper

Das Schweigen der Bambis



Antikörper

Von Harald Manninga

Im »Schweigen der Lämmer« kam kein einziges Lamm vor, und wer beim Titel »Antikörper« irgendwas mit Bazillen erwartet, wird ebenso enttäuscht, dü gübs hür nüch. Dafür aber jede Menge religiöse Anspielungen, die ganz großen Fragen nach Gut & Böse, Gott & Welt und dergleichen. Sehr ambitioniert, was Newcomer Christian Alvart da gemacht hat. Aber leider wohl etwas zu ambitioniert, um einen wirklich guten Thriller abzugeben.

Der irre Massenmörder und –kinderschänder Gabriel Engel wird endlich in Berlin gefasst. In langen Verhören faselt er viel (scheinbar) krauses Zeug über Recht und Unrecht, Schuld und Unschuld usw., gesteht aber dabei auch in etwa alle ihm zur Last gelegten bestialischen Knabenmorde.

Derweil knabbert Dorfpolizist Michael Martens noch an der Aufklärung eines Kindermordes in seinem 350-Seelen-Dörflein. Als Gabriel Engel gefasst wird, scheint alles klar zu sein: Auch dieser Mord trägt über weite Strecken seine »Handschrift«, dann war ers also wohl. Würde der Ruhe im Dorf zugute kommen. Doch der Teilzeitbauer mit Familienproblemen glaubt nicht so recht daran und will sich Klarheit verschaffen, indem er die Bestie selbst befragt und ihr nach Möglichkeit ein Geständnis auch dieses Mordes abringt.

In Berlin ist das BKA-Personal im Hochsicherheitstrakt dann hoch erfreut, als der Mörder nach langem Schweigen gegenüber dem Dorfpolizisten wirklich wieder den Mund aufmacht: Er habe das Kind zwar nicht umgebracht, weiß aber, wer es war. Bevor er jedoch damit rausrückt, verwickelt er Michael in quälende Gespräche über Gut und Böse und z.B. darüber, an was er denn wohl denkt, während er seine Frau fickt, sturzfrommer Katholik, der er ist.


Abgesehen von allerlei mehr als offensichtlichen (und leider klischeehaft umgesetzten) Anleihen bei Klassikern des Genres kommt dieser Film auch sonst etwas holprig daher. Die Kamera steht so gut wie nie still (spielt aber ab und zu recht schön mit Perspektiven). Der Schnitt ist über weite Strecken reichlich hektisch, was wohl »Spannung« erzeugen soll, das aber meist nicht hinkriegt. Regelrecht verwirrend wird es bei den Flashbacks zur Vorgeschichte um das Mordgeschehen im Dorf. Und überhaupt dieses übervolle Hintergrundgetue: Es sollte wohl ins Drehbuch rein, was nur irgend ging. Also zuviel.

Dabei hat der Film aber ja einige, wenige, wirklich starke Momente: Die Eingangssequenz mit der Überwältigung der Mörderbestie ist dicht, dunkel, bedrohlich, geradezu beklemmend. 1a Thriller-Material! Die wechselseitigen Befragungen zwischen Mörder Gabriel und Polizist Michael lassen an Intensität wenig zu wünschen übrig (sind aber zu selten und vor allem zu kurz). Das Ende dann: das ist über lange Meter ein echt sehenswerter und spannungsgeladener Showdown! Wie der Erzmoralist und Bulle Michael da gegen sich selbst kämpft... Und wie der Erzschurke Gabriel ihn durch sein amoralisch-irres Gerede dahin gebracht hat... Jo! Hat was! Wenn der ganze Film so wäre: Wow! Aber so ist er eben nicht. Jedenfalls nicht durchgängig.

Da sind neben dem viel zu vollen Drehbuch auch die Schauspieler gegen. Wenn z.B. nochmal wer Heinz Hoenig als grantlig-angeprollten Großstadt-Polypen mit Beziehungen ins Rotlichtmilieu besetzen will, sollte er vielleicht nochmal nachdenken: Nichts gegen type casting im allgemeinen, aber irgendwann reichts einfach mit der diesbezüglichen Signalwirkung. Wotan Wilke Möhring als Dorfpolizist spielt seine Rolle meist wie ein Dorfbühnenmime. - Demgegenüber ist jedoch André Hennike als Hannibal-Lecter-Neuaufguss nahezu grandios! Schurken geben eben die besten Rollen ab, das war schon immer so, und Hennike macht da was draus. Und jagt einem mehr als nur Schauer übern Rücken, er umzingelt die Seele.

Soweit also alle »Fehler« fast verzeihlich. Wären da nicht diese grottenschlecht computeranimierten Rehe in der großen Schlüsselszene! Die vernichtens dann leider komplett.