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Umdenken in Europa nötig (17.05.2006)



In den vergangenen Tagen ist bekannt geworden, dass der us-amerikanische Geheimdienst NSA die Telefon-Verbindungsdaten von 200 Millionen Amerikanern sammelt. Nach Medienberichten handelt es sich dabei um die »größte Datenbank der Welt«. Die gespeicherten Kommunikationsdaten werden automatisch auf Auffälligkeiten geprüft. Bürgerrechtsorganisationen in Deutschland fordern nun, aus dem Geheimdienst-Vorgehen in den USA Schlüsse für Europa zu ziehen.

Die EU-Staaten haben im Februar 2006 ebenfalls eine systematische und verdachtslose Vorratsspeicherung der Verbindungsdaten der gesamten Bevölkerung beschlossen. In Deutschland hätten nicht nur Strafverfolger Zugriff auf die Kommunikationsdaten, sondern auch Geheimdienste aufgrund des Terrorismusbekämpfungsgesetzes. Auch die Musikindustrie soll auf die Daten zugreifen dürfen, so der Entwurf eines »Gesetzes zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums«. Daneben hätten ausländische Staaten wie die USA aufgrund internationaler Verträge Zugriffsrechte, wie die EU-Kommission kürzlich bestätigt hat.

Sollten die Pläne zur Vorratsdatenspeicherung umgesetzt werden, sind Missbräuche der Daten zu erwarten, erklären nun der ›Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung‹, die ›Initiative STOP1984‹ und das ›Netzwerk Neue Medien‹ gemeinsam. Zahlreiche Beispiele in der Vergangenheit zeigten, dass sich der Missbrauch geheimer Überwachungsbefugnisse nicht verhindern lasse. Selbst regierungsinterne und andere sicherheitsrelevante Kommunikation sei nicht mehr vor unbefugtem Zugriff geschützt, wie der Abhörskandal in Griechenland vor drei Monaten gezeigt habe.

Der Jurist Patrick Breyer vom bundesweiten Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung erklärt dazu: »Die einzige Möglichkeit, um Missbräuche unserer Kommunikationsdaten im In- und Ausland effektiv zu verhindern, ist der Verzicht auf die verdachtslose Vorratsdatenspeicherung«, erklärt Patrick Breyer vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung dazu. Der Politikwissenschaftler Ralf Bendrath vom Netzwerk Neue Medien kritisiert die geplanten Auskunftspflichten an die Musikindustrie: »In den USA gerät die Regierung gerade unter Feuer, weil sie im Zuge der Terrorismusbekämpfung Millionen unverdächtiger Amerikaner bespitzelt. Hierzulande will die Bundesregierung das gleiche sogar privaten Unternehmen bei mutmaßlichen Bagatelldelikten erlauben. Dieses Vorhaben liegt jenseits aller legitimen Strafverfolgungsbedürfnisse und schädigt das Vertrauen der Verbraucher in das Internet nachhaltig«.



Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung ist ein bundesweiter
Zusammenschluss von Bürgerrechtlern, Datenschützern und Internet-Nutzern, der die Arbeit gegen die geplante Vollprotokollierung der Telekommunikation koordiniert. Im Netz: www.vorratsdatenspeicherung.net

Die Initiative STOP1984 ist ein offener bundesweiter Zusammenschluss von Verfechtern der informationellen Selbstbestimmung und Gegnern von Überwachung. Im Netz: www.stop1984.de

Das Netzwerk Neue Medien e.V. setzt sich für den Erhalt und Ausbau von
Bürgerrechten im digitalen Zeitalter ein. Im Netz: www.nnm-ev.de