Webwecker Bielefeld: Tisch01

Tischlein, deck dich!



Der Bielefelder Tisch bietet täglich 120 Menschen eine warme Mahlzeit. Die Lebensmittel kommen von Supermärkten, für die es billiger ist, die Waren abzugeben als zu entsorgen.


Ein sonniger Donnerstagabend, kurz vor 18 Uhr. Mitarbeiterbesprechung beim ›Bielefelder Tisch‹. Der Plan für heute steht, die Aufgaben sind verteilt. In wenigen Minuten kommen diejenigen, die satt werden wollen. »Pro Ausgabe brauchen wir sieben bis acht Leute, damit der Laden läuft«, sagt Rolf Rüdiger Schuster, der den ›Tisch‹ leitet. Er ist seit Anfang an dabei, zu Beginn tatkräftig auch in der Küche, inzwischen ist er die zwischen den Dingen handelnde Leitfigur, er bezeichnet sich heute als »seelischer Mülleimer« für die Mitarbeiter und Besucher.

Eine ältere Frau kommt im Hof auf ihn zu. Sie habe sich gerade Brot geholt und auch einen Schlafsack gespendet, erzählt sie Schuster. Sie löst ihre Wohnung auf, Brauchbares liefert sie beim ›Tisch‹ ab. »Der Hubert hat erzählt, er braucht noch einen Schlafsack«, sagt sie. Derjenige, der jetzt den alten Wehrmachtsschlafsack sein eigen nennt, ist obdachlos. Er gehört zum Stammpublikum der Einrichtung an der Heeperstraße. 200 Personen kommen zum ›Tisch‹, an jedem Öffnungstag sind es circa 120. Es sind Gestrandete der Gesellschaft: Obdachlose, Alkoholiker, Alte und Arme. Für sie ist eine warme Mahlzeit Gold wert. »Wenn die wirtschaftliche Entwicklung so weiter geht, werden wir bald vier bis fünf solcher Stellen in der Stadt brauchen, wo die Leute essen können«. Folgerichtig entstehen jetzt schon weitere Einrichtungen, so zum Beispiel das ›Dornberger Brotkörbchen‹.

Schuster wünscht sich eine engere Kooperation zwischen den einzelnen Aktiven. Mit der ›Bielefelder Tafel‹, die statt einer Essensausgabe Bedürftige mit Nahrungsmitteln beliefert, gebe es allerdings keine Zusammenarbeit. »Es gab Versuche, aber die sind gescheitert«, sagt Schuster. Der Idealfall wäre für Schuster ein stadtweites Netzwerk vom elementaren Hilfen für Bedürftige, die durch das Sozialnetz gefallen sind. Dennoch will der ›Tisch‹ den Leuten nicht alles abnehmen. Er wird nur dreimal die Woche bereitet, an den anderen Tagen müssen sich das Klientel woanders versorgen: »Wir wollen keine Entmündigung. Das würde eintreten, wenn sie jeden Tag kommen könnten. Damit würden sie von uns abhängig werden« erklärt Schuster.

Die Lebensmittel stammen von fünf Bielefelder Supermärkten und Bäckereien. Für die sei es billiger, die nicht mehr ganz glänzenden Gemüse und Joghurts mit abgelaufenem Haltbarkeitsdatum abzugeben als sie zu entsorgen. »Wir könnten noch viel mehr bekommen, haben aber schon so mehr als genug«. Der ›Tisch‹ sammelt die Lebensmittel mit einem eigenen Fahrzeug ein, anschließend werden sie in der hauseigenen Küche zu einer warmen Mahlzeit verarbeitet. Brot, Obst und Gemüse wird zum Mitnehmen auf einer Theke aufgebaut. Jeder kann sich soviel nehmen, wie er will. Neuerdings muss dafür pauschal 50 Cent gezahlt werden. »Wir hatten es schon, dass einige Leute die Lebensmittel hier in der Nähe in die Büsche geschmissen haben«. Die Wertschätzung der Lebensmittel soll durch den kleinen Obulus steigen. Neu ist auch, dass die Besucher, bevor sie Essen bekommen, den ›Bielefelder Pass‹ vorzeigen müssen, der vom Sozialamt ausgestellt wird. Die Einrichtung stehe zwar prinzipiell jedem offen. Doch seien schon Leute in dicken Autos hier vorgefahren, um kostenlos zu essen, empört sich Schuster.