Webwecker Bielefeld: postmeisternormal01

Demonstration herkömmlicher Art (Postmeister, 14.05.2003)



Am vergangenen Dienstag gab es erneut eine Demonstration dagegen, dass die Gaststätte »Der Postmeister« Treffpunkt von Rechtsextremisten ist. Redner erinnerten an die Erfolge der Antifa in den 80er Jahren

Von Robert Schwarz

Die Demonstration am Dienstagabend gegen die Tatsache, dass die Kneipe »Der Postmeister« am Kesselbrink Rechtsextremen als Treffpunkt dient, verlief etwas anders als die vorangegangenen. Zum einen war die Zahl der Teilnehmer geringer, etwa 150 Demonstranten folgten dem Aufruf der Initiative »Courage gegen Rechts«.

Möglicherweise lag das am zweiten Unterschied zu den Demonstrationen, die seit Ende Februar etwa alle zwei bis vier Wochen immer wieder dienstags vor dem Lokal stattfanden. Vor allem die beiden letzten Kundgebungen waren mehr Events denn Demonstrationen: Mitte März wählten die Organisatoren »Radical Cheerleading« mit Puscheln und Choreographien als Aktionsform, vor zwei Wochen zog ein Hip Hop Jam viele Jugendliche an. Die gestrige Demonstration hingegen war eher eine der herkömmlichen Art. Allerdings stand auch sie unter einem Motto, nämlich dem der 80er Jahre, in denen es Antifaschistinnen und Antifaschisten gelang, für die Schließung von zwei Nazitreffs in Bielefeld zu sorgen.

Der dritte Unterschied der gestrigen zu den vorangegangenen Demonstrationen war das Verhalten der Polizei. Während diese noch vor zwei Wochen massive Konfliktvermeidung betrieb, gab es gestern schon Streit, bevor die Demonstration überhaupt begonnen hatte. Der Grund war ein Transparent, das bei dem Hip Hop Konzert vor zwei Wochen an einem Haus gegenüber des »Postmeister« entrollt wurde. »Nazitreffpunkte angreifen« wird da gefordert, die Staatsanwaltschaft Bielefeld ermittelt deshalb wegen der »Aufforderung zu Straftaten«. Das Transparent war auch gestern dabei, wegen der staatsanwaltlichen Ermittlungen verboten die Einsatzkräfte den Demonstranten es mitzuführen und verhinderten den Abmarsch des Demonstationszuges. Die Antifaschisten behalfen sich schließlich damit, dass sie »zensiert« über das Wort »angreifen« klebten.

Annelie Buntenbach, ehemalige Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Grüne und eine der Rednerinnen auf der Demonstration, nannte das Vorgehen der Polizei völlig unverhältnismäßig. »Angreifen kann eine Reihe von Bedeutungen haben, zum Beispiel Öffentlichkeit darüber herzustellen, was in diesem Nazitreff passiert, wer sich da trifft, was die Propaganda der Nazis ist und sie in diesem Sinn dem Licht der Öffentlichkeit auszusetzen,« so Buntenbach gegenüber dem Webwecker. Das Duden-Bedeutungswörterbuch (2002) gibt ihr in ihrer Einschätzung Recht. Als eine der Bedeutungen des Wortes nennt der Duden: »Jemanden zu widerlegen suchen, heftig kritisieren: jemanden öffentlich angreifen«.

Der Demonstrationszug bewegte sich nach der »Korrektur« des Transparentes über die Niedernstraße, den Alten Markt und den Niederwall wieder zurück zum Jahnplatz. Bei der dortigen Zwischenkundgebung stellte Annelie Buntenbach einen Zusammenhang, zwischen dem Zustand der deutschen Gesellschaft und dem Rechtsextremismus her und beschrieb das Wiedererstarken der Rechtsextremen seit Mitte der 80er Jahre. Damals hatten die Republikaner Wahlerfolge zu verzeichnen, durch die auch die außerparlamentarische rechtsextreme Szene wieder offensiver auftrat. Der Aufstieg sei jedoch kein Phänomen des rechten Randes der Gesellschaft gewesen, sondern habe sehr viel mit dem Mainstream, dem gesellschaftlichen Diskurs und der Politik der großen demokratischen Parteien zu tun, so Buntenbach. »Den Erfolgen von Republikanern und DVU war ein Wahlkampf vorangegangen, in dem die großen Parteien, vor allem die CDU, mit den Feindbildern »Asylflut«, »Asylmissbrauch« versuchten, die Bundestagswahl für sich zu entscheiden«, erinnerte die ehemalige Rechtsextremismus-Expertin der grünen Bundestagsfraktion.