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»Verarmungsprogramm für Erwerbslose« (Teil 2)



Mindestlohn, inzwischen ist der DGB dafür. Welche Meinung hat die Koordinierungsstelle?

Wir haben unseren Meinungsbildungsprozess noch nicht abgeschlossen. Ich persönlich denke, dass wir dringend einen gesetzlichen Mindestlohn brauchen. Gewerkschaften werden es in den nächsten 50 Jahren nicht schaffen, in Bereichen wie Gastronomie, Haushalt, Reinigungsdienste und ähnliches Löhne tariflich durchzusetzen, von denen Menschen leben können. Ausgehend von der Situation derjenigen, die im Niedriglohnbereich arbeiten, braucht man dringend den gesetzlichen Mindestlohn.


Aber kann es nicht passieren, dass der gesetzliche Mindestlohn noch unter den jetzt gezahlten Löhnen liegt?

Das ist letztlich eine Sache der politischen Kräfteverhältnisse. Von der rot-grünen Bundesregierung wird man sicherlich keinen guten Mindestlohn geschenkt bekommen. Da wird schon gesellschaftlicher Druck notwendig sein, um einen Mindestlohn durchzusetzen, von dem man tatsächlich leben kann.


Ein weiteres aktuelles Thema ist die Ausbildungsabgabe. Die Bundesregierung will inzwischen handeln, auch gegen Widerstand aus den eigenen Reihen.

Im Grundsatz finden wir die Abgabe gut. Ich habe den Eindruck, dass Rot-Grün sehr vorsichtig vorgeht und die Arbeitgeber mit Samthandschuhen anfasst. Entscheiden wird letztlich die Höhe der Abgabe. Über die Höhe wird sich entscheiden, ob private Arbeitgeber mehr ausbilden oder sich freikaufen. Ist die Abgabe zu niedrig, könnten Unternehmen ökonomisch entscheiden, was für sie günstiger ist.


Werden sich den die mit Hartz IV beschlossenen Maßnahmen positiv auf den Arbeitsmarkt auswirken?

Das neue Arbeitslosengeld II, das für ab 1. Januar 2005 geplant ist, ist aus unserer Sicht schlicht ein Verarmungsprogramm für Erwerbslose. Da gibt es keinen Bezug mehr zum Lohn wie noch heute. Pauschal erhalten dann alle einen niedrigen Betrag, 345 Euro im Monat zuzüglich Unterbringungskosten. Das sind 11,50 Euro am Tag. Davon kann niemand wirklich leben. Arbeitslosengeld II bedeutet Leben in Armut. Dieser Satz ist sogar noch niedriger als die reale Sozialhilfe heute. In den 345 Euro ist eine Pauschale für besondere Anschaffungen eingerechnet. Diese 48 Euro sollen einen neuen Wintermantel oder den Austausch einer defekten Waschmaschine ermöglichen.

Der zweite wichtige Punkt von Hartz IV ist, dass dann jede legale Arbeit zumutbar ist. Dazu zählen auch geringfügige Beschäftigungen, die keinen Sozialversicherungsschutz bieten. Und es muss jeder Lohn akzeptiert werden. Dies ist nicht nur ein Problem für die Erwerbslosen, sondern auch der Beschäftigten. Löhne und Arbeitsbedingungen geraten so unter Druck. Hinter jedem Arbeitsplatz steht dann ein Arbeitsloser.