Webwecker Bielefeld: witsch02

Maximales und Geheimes (Teil 2)





Referierten auf Einladung von Bielefeld 2000plus in der Ravensberger Spinnerei: Monika Witsch (links) und Andrea Thomas, die die Entwicklung der rechtsextremen Musikszene darstellte


Ein Filterprogramm soll den Zugriff auf Webseiten und Newsgroups sperren. Dokumente, deren Web-Adresse in einer Datenbank hinterlegt sind, sind nicht mehr erreichbar, eine sogenannte Negativ-Liste wird angelegt. Eine zweite Filtermethode: Dokumente, in deren Text oder Titel Schlüsselworte enthalten sind, die beim Provider in programminternen Datenbank enthalten sind, bleiben unaufrufbar. Während des Ladevorgangs wird die Seite analysiert und im Falle einer Übereinstimmung mit Begriffen aus dieser Datenbank wird das Dokumentes nicht angezeigt. Die dritte Möglichkeit: Eine sogenanne ›White-List‹ anlegen. Dann sind nur noch die Netzseiten aufrufbar, die explizit als korrekt gekennzeichnet wurden. Dies kann beispielsweise zu Hause seitens der Eltern geschehen, um Kindern nur einige ausgewählte Seiten zur Verfügung zu stellen.

Alle drei Methoden kämpfen mit technischen Problemen: Denn Web-Adressen können sich schnell ändern, Schlüsselwörter und Texte in Dokumenten sind nicht immer eindeutig, so dass die falschen Seiten gesperrt werden können. So wurde im vergangenen Jahr eine NPD-Seite zum damals angestrebten NPD-Verbotsverfahren von der Filtersoftware, die in Schulen Baden-Württembergs eingesetzt wird, als ›Bildung‹ eingestuft und folglich freigegeben. Hinzukommt, dass viele Seiten auch über Links zu erreichen sind. Ist erst einmal eine Naziseite gefunden und geladen, lassen sich über diesen Weg beliebig viele andere erreichen.


Filtersoftware greift demokratische Struktur des Internet an

Experten fragen sich jedoch, ob der Einsatz von Filtern unabhängig von seinen technischen Schwierigkeiten überhaupt sinnvoll ist. Monika Witsch hat eine klare Antwort: »Nein«. Die promovierte Pädogogin lehrt an der Universität Bielefeld und beschäftigt sich schon lange intensiv mit rechtsextremen Inhalten im Netz und mit ihrer Bedeutung für Jugendliche. Für sie sind Filtersysteme Ausdruck eines Erziehungsideals, welches auf Überwachung und Kontrolle setzt, auf Tabusierung statt Bildung: »Es entsteht die Suggestion, in einer sauberen, virtuellen Welt zu sein«, sagt Witsch. Doch die rechtsextremen Seiten existierten weiter und auch der Zugang sei zu ihnen nach wie vor – über kleine Umwege – möglich. Der Einsatz von Filtersoftware könne den Rechtsextremismus nicht effektiv bekämpfen, stattdessen sei er ein Kampf gegen das Internet und seine demokratische Struktur.

Statt Filter setzt Witsch auf Bildung. Und dazu gehört, dass Jugendliche sich bewußt mit den Seiten auseinander setzen. Sie sollen lernen, die Seiten zu dekodieren. Wer verbiete, befördere den Wunsch, es trotzdem zu tun, meint Witsch gerade mit Blick auf Heranwachsende. Die analytische Frage: Warum ist Rechtsextremismus fazinierend, die ästhetische: Wie sind Nazi-Seiten aufgebaut? Witsch hat beobachtet, dass die Seiten Mythen transportieren. Gleich auf der Startseite werde durch klar, wer auf die Seiten soll und wer nicht: Draußen bleiben sollen Staatsschutz und Linke. Ein klares Freund-Feind-Schema gleich zu Beginn. Ein Gemeinschaftsmythos werde so geschaffen, sagt Witsch. Den wer dennoch weiterklickt, ist mittendrin in einer konstruierten verschworenen Gemeinschaft.