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Hitler war’s! (Teil 2)



Zwar gab es in der Nachkriegszeit auch einige Momente, in denen dieses Bild gehörig ins Wanken gebracht wurde, wie der Auschwitzprozess oder ganz allgemein der Bruch der 68er mit ihren Nazi-Eltern, doch habe sich der Mythos von den Unschuldigen und verführten Deutschen, insbesondere in der persönlich weitergegebenen Sicht der Nazizeit, bis heute gehalten.

In der deutschen Geschichtswissenschaft habe sich der »Hitlerismus« zwar ebenfalls überholt und an seine Stelle sind komplexere Analysen der sozialen und strukturellen Verhältnisse getreten. Jedoch gibt es seit dem Historikerstreit und spätestens seit Ende der Neunziger einen Rollback. Ein Vorteil der Fixierung auf Hitler liegt darin, so ein Historiker, dass, »je größer die Rolle Hitlers und seines Herrschaftssystems (wird), um so entschuldbarer (wird) die deutsche Gesellschaft.« Auch versuche man mit so einer Argumentation »einen Rest von nationaler Selbstbehauptung (zu) retten« wie Heer schreibt.

Ein weiterer Vorteil sei die mit der Reduktion auf Personen einhergehende Vereinfachung des komplexen Geflechts gesellschaftlicher Prozesse. »Biographische Geschichtsschreibung präsentiert Menschen mit Emotionen und Schicksalen, in die wir uns einfühlen können, stellt Nähe her, vernichtet die Distanz und nivelliert das uns Fernliegende«, schreibt Heer in seinem Buch. Für die Beschäftigung mit der Nazizeit habe das besonders fatale Folgen: »Sie verliert den Schrecken und die Einzigartigkeit, den der Zivilisationsbruch des Holocausts und des Vernichtungskrieges bedeutet, sie wird zur harmlosen Geisterbahn, zu einem Arsenal von Stories und Legenden.«

Der Historiker Eric Hobsbawm schrieb: »Heutzutage wird mehr Geschichte den je von Leuten umgeschrieben oder erfunden, die nicht die wirkliche Vergangenheit wollen sondern eine, die ihren Zwecken dient. Wir leben heute im großen Zeitalter der historischen Mythologie.« In seinem neuen Buch will Heer »einige dieser Mythologen« vorstellen.


Wie Geschichte zur „Geschichtstapete“ wird...

Bei der Lesung im Eulenspiegel stellt Hannes Heer das Kapitel über Guido Knopp vor. Pointiert fasst er in seinem Buch den Aufbau der sechsteiligen »Hitler Helfer« Reihe zusammen. Geschichte wird zu einem Videoclip. Heß, Himmler, Goebels, Göring, Speer und Dönitz widmet Knopp je eine eigene Folge. Bestimmte Momente aus dem Werdegang stehen im Mittelpunkt. Gerade so wie es passt. »Küchenpsychologisch« werden Gründe dafür gesucht wie man zur Nazi-Elite wurde. Die Deutungslinien, die den Zuschauern präsentiert werden, sind immer ähnlich einfach. Ein Klumpfuss reicht aus um aus einem normalen jungen Mann einen verbitterten Massenmörder zu machen. Ein autoritärer Vater und schon hat man ein »Erweckungserlebnis« und der Führer wird zum »Messias«.

Diese biographische Geschichtsschreibung erzählt zwar ein paar Details über den Lebenslauf der obersten Nazi-Elite, jedoch nichts darüber wie der Nationalsozialismus in Deutschland zu einer Massenbewegung werden konnte. Diese Reduzierung des Nationalsozialismus auf ein paar Männer mit verkorkster Kindheit ist, laut Heer, ein Teil des Erfolgsrezept der Doku-Reihe. Diese Darstellung kommt der individuellen Schuldabwehr der meist älteren Zuschauerinnen und Zuschauern entgegen. Hitler war’s und nicht die Millionen gewöhnlicher Deutscher.

Wer sich von Knopp zumindest eine genaue Betrachtung von Wirken und Einfluss der sechs Obernazis auf den Nationalsozialismus erwartet, wird auch enttäuscht. »Die Knoppschen Berichterstattungen haben mit Rekonstruktion von Geschichte wenig zu tun. Eher entstehen sie gerade durch die Auslassung von Geschichte«, sagt Heer. Bei näherem Hinsehen zeige sich das diese Reduktion, »nicht Ergebnis eines einfallslosen Herumschnippelns, sondern das Produkt eines wohlüberlegten Konzepts und eines höchstprofessionellen Arbeitsvorgangs sind«. Bezeichnend dafür sei auch der Einsatz Zeitzeugen. Je nach Erfordernissen kann bei manchen auch schon mal die Tätigkeitsbezeichnung wechseln.