Webwecker Bielefeld: Spiel02

Computer- statt Scherenschnitt?



Tobias Eggerer, Fachberater für Kindertageseinrichtungen des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes in Bielefeld sieht die Qualitätsdiskussion, die bei den einzelnen Trägern zur Zeit läuft, aus einer anderen Perspektive: »Kindertageseinrichtungen leisten hervorragende Arbeit. 98 Prozent der Kinder sind danach schulreif«. Eventuelle Defizite der Kindereinrichtungen den ErzieherInnen anzulasten, hält er für problematisch. Auf Grund der Personalknappheit könnten die Kindergärten kaum mehr leisten. In der mangelhaften Ausstattung der Kindergärten mit Personal und in der »sehr knappen« Ausbildung sieht er die Problematisierungsfelder. Er fordert mehr Personalinvestitionen in diesem Bereich: »Würde sich die Ausbildung verlängern, würden in der Folge allerdings auch die Gehälter steigen«, sagt er gegenüber dem ›WebWecker‹. Er verweist darauf, dass in den meisten westeuropäischen Ländern die ErzieherInnenausbildung an Hochschulen durchgeführt werde.

Siegfried Beckord, Leiter des AWO-Berufskollegs Bielefeld, das ErzieherInnen ausbildet, sieht das Problem hingegen nicht in der Ausbildung, die passe sich ständig den Gegebenheiten an und müsse inhaltlich den europäischen Vergleich nicht scheuen. Überhaupt solle zunächst nicht formal, sondern inhaltlich debattiert werden: Die Frage, welche Kompetenzen ErzieherInnen brauchen, müsse vor der Frage geklärt werden, in welchen institutionellen Rahmen man diese Anforderungen dann stelle. Das Land NRW hat für das Jahr 2004 eine Reform der ErzieherInnenausbildung angekündigt, deren Inhalt gerade diskutiert wird. Beckord stimmt Eggerer aber darin zu, dass die Personalressourcen in den Kindereinrichtungen zu knapp seien. Zudem gebe es kaum Landesmittel für Fortbildungen: nur 0,7 Prozent der Gehaltssumme der ErzieherInnen werde in NRW für Fortbildungen ausgegeben.





Kommentar


Film- und Videoarbeit und der Einsatz für Computer und Gameboy, im neuen Leitfaden der städtischen Kindertageseinrichtungen steht es so geschrieben. Ohne Zweifel, eine Umorientierung der Kindergärten zu gegenwärtigen Erfahrungsformen macht Sinn. Der inzwischen alltägliche Medienkonsum von Kleinkindern ist selbstverständlich medienpädagogisch zu begleiten. Kinder stundenlang mit der Schere ausschneiden zu lassen, ist da sicherlich weniger sinnlich und sinnvoll. Aber: Die Wirkungen von PISA dürfen nicht so weit gehen, Kindertagesstätten in Vorhöfe der Schulen zu verlängern, solange sich nicht auch die Grundschulen verändern. Bildungsarbeit mit drei bis fünf Jährigen muss sich auf den Bereich von Erfahrungen beziehen, die spielerisch vermittelt werden. Eine Zurichtung auf spätere gesellschaftliche Anforderungen sollte da kein Platz haben. Die Verlockung ist für manche Politiker offensichtlich groß, die Defizite in den Grundschulen dadurch auszugleichen, indem ein Teil der Lerninhalte in die Kindertagesstätten vorgezogen werden soll. Vielmehr sollten sich aber Grundschulen und Kindergärten annähern, indem Lerninhalte auch in Grundschulen erfahrungsorientierter vermittelt werden. Die Bielefelder Laborschule hat hier in den vergangenen Jahrzehnten wichtige Arbeit geleistet. Grundsätzlich geht es darum, dass Verhältnis zwischen Betreuung und Bildung in Kindertageseinrichtungen neu auszuloten, nachdem in den vergangenen drei Jahrzehnten die Betreuung im Vordergrund stand.

Und: Die Erziehung und Betreuung von Kindern in Einrichtungen muss einen anderen gesellschaftlichen Status bekommen. Mehr Geld für die Kindertageseinrichtungen ist da notwendig. Mehr staatliches Geld für bessere Ausstattung und mehr Personal. Vorbei sein sollte es damit, zu sagen: »Kleine Kinder, kleines Geld«. Wer den Gedanken einer verbesserten Qualität von Kindergärten ernst nimmt, muss sich auch Fragen, warum eigentlich Lehrer mehr verdienen als ErzieherInnen, wenn sie gesellschaftlich ähnlich wichtige Aufgaben wahrnehmen.