Männliche Jugendliche, so bestätigt eine Untersuchung von Clive Norris und Garry Armstrong, insbesondere wenn sie Merkmale ethnischer Minderheiten tragen und sozial marginalisierte Gruppen werden am Häufigsten und Längsten beobachtet. Dies obwohl beide Kategorien beispielsweise im Vergleich mit männlichen 20-30jährigen bei strafbewehrten Handlungen unterrepräsentiert sind. Frauen hingegen werden nur selten länger beobachtet, dafür aber jede Zehnte ausschließlich aus voyeuristischen Motiven. Gerade Frauen und männliche Jugendliche äußeren sich dementsprechend nicht nur positiv hinsichtlich dieser Überwachungstechnik. Während Videoüberwachung zwar kaum Auswirkungen auf Kriminalität hat, beeinflusst sie die Empfindungen einzelner Personenkategorien sowie deren Möglichkeiten, am Leben in öffentlich zugänglichen Räumen der Großstädte teilzuhaben.
In Zukunft wird jedoch verstärkt auf Überwachungspersonal verzichtet werden können. Computersoftware lässt sich auf Handlungsabläufe, Bewegungen oder Objektgrößen programmieren. Somit ließen sich einzelne Verhaltensweisen genauso wie individuelle oder auch kollektive Merkmale von Personen oder Personengruppen programmieren sowie diese gezielt selektieren und überwachen. Überwachungssysteme sollen in Zukunft sogar Devianz identifizieren bevor sie eintritt. Die Programmierung muss dabei nicht einmal bewusst diskriminierend eingesetzt werden.
Vielmehr ist es umgekehrt: Überwacht werden normale Aktivitäten, normale Verhaltensweisen, wie z.B. der durchschnittliche Handlungsablauf beim Betreten eines Parkhauses. Abweichung fällt dann indirekt durch die Überwachung der Normalität auf. Das interessierte Anschauen eines neuen Automodells kann dann schon Alarm auslösen.
Die Identifikation und selektive Überwachung von Handlungen oder Personen sind wiederum die Voraussetzungen, um Personen aus Räumen zu verdrängen. Damit ist die neben Disziplinierung zweite Intention von Videoüberwachung angesprochen: räumliche Ausgrenzung. Sie wird sowohl von Polizei, als auch von privaten Betreibern oder Finanziers der Kameraanlagen explizit als ein Grund von Videoüberwachung genannt: Einzelpersonen oder Personengruppen, die Sicherheitsgefühle und/oder das Konsumambiente je nach Ort beeinträchtigen könnten oder von denen vermutet wird, sie könnten in kriminogene Situationen involviert sein, sollen verdrängt werden.
Ausgrenzung als ProzessWie Ausgrenzung und Disziplinierung umgesetzt werden, hängt derzeit noch von vielen Faktoren ab. Videoüberwachung darf nicht isoliert betrachtet werden, will man ihre Relevanz für eine Neukonstruktion urbaner Ordnung erfassen. Eine entscheidende Voraussetzung für den Einsatz von Videokameras ist die entsprechende Gestaltung des Raumes. Es dürfen keine Hindernisse existieren, die den Blick der Kameras versperren. Die Bilder der Kameras müssen zudem permanent beobachtet werden und es muss ausreichend Personal zur Verfügung stehen, das nicht von zu vielen Bilder überfordert ist. Es muss weiterhin Sicherheitspersonal in unmittelbarer Nähe sein, um überhaupt intervenieren zu können. Alle diese banal erscheinenden Aspekte sind in der Praxis oft gar nicht gegeben, die Symbolik der Kameras scheint den Betreibern zu genügen.
Dass die Beobachteten für diese nun auch erkennbar beobachtet oder kontrolliert werden, wäre der nächste Schritt zur Disziplinierung. Unmittelbar wird Ausgrenzung erst, wenn nach einer Kette von Ereignissen das Sicherheitspersonal die Betroffenen aus den Räumen etwa mit Hinweis auf die Hausordnung verweist oder gar (extralegal) gewaltsam entfernt. Kameras alleine entfalten diese ausgrenzende Wirkung in der Regel nicht.